
Der Weserkurier berichtet am 12.6.2025, dass der Fussball-Erstligist Werder Bremen mehreren hundert Fans das Recht entzieht, ihre Dauerkarten für die kommende Saison zu verlängern. Der Grund: die Fans nutzen ihre (bezahlte) Dauerkarte nicht oft genug (einfacher Abgleich von Ticketing vs. Einlasskontrolle).
Vor der gerade beendeten Saison 2024/25 hatte Werder seinen Dauerkarteninhabern mitgeteilt, dass künftig der Entzug des Abo-Tickets droht, sollte die Karte während einer Spielzeit zu oft nicht genutzt werden. Zunächst waren als Marke für die Mindestnutzung 14 der 17 Heimspiele festgelegt, aus Kulanzgründen reduzierte Werder die Untergrenze kürzlich noch auf zwölf von 17 Partien. Für viele Fans war das aber immer noch zu wenig. Laut Vereinsangaben sind vom Entzug der Dauerkarte nun mehr als 500 Anhänger betroffen.
Die Hintergründe sind vielfältig: die Nachfrage nach Dauerkarten und Tickets ist höher, als befriedigt werden kann. Werder hätte gerne mehr Fans, die öfter kommen. Das soll die Fan-Experience befördern, hat aber gleichzeitig auch wirtschaftliche Hintergründe. Jedes nicht besuchte Spiel führt zu Ausfällen beim Verkauf von Getränken, Speisen und Fan-Artikeln.
Werder selbst stellt die Sachlage auf seiner Website unter dem Titel: „Werder-Dauerkarten: Maßnahmen für mehr Fairness und Verbindlichkeit greifen“ so dar:
„Die Nachfrage nach Dauerkarten ist seit Jahren enorm groß. Viele Fans warten sehnsüchtig auf die Möglichkeit, regelmäßig ins Weserstadion kommen zu können, um unser Team zu unterstützen. Ihnen ist nicht zu vermitteln, dass manche Personen mehrere Dauerkarten halten und dann nur wenige Partien besuchen. Wir haben deshalb einige Maßnahmen umgesetzt, um eine gerechtere, nachvollziehbarere und verbindlichere Nutzung der Dauerkarten zu erreichen“, erklärt Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung des SV Werder Bremen.
„Angesichts der erstmaligen Umsetzung sind wir dabei mit besonderer Kulanz vorgegangen. Selbst Dauerkarten-Inhabern und -Inhaberinnen, die nur zwölf oder 13 Heimspiele besucht haben, wird für die kommende Saison ihre Dauerkarten zum erneuten Kauf angeboten. Zudem hat unser Service-Center in den vergangenen Wochen bereits Einzelfälle geprüft, beispielsweise wenn Tickets in die offizielle Ticketbörse eingestellt, aber nicht verkauft werden konnten, oder Hinderungsgründe hinterlegt waren“, so Filbry weiter. Rollstuhlfahrende und Begleitpersonen waren von Beginn an aus dem Prozess ausgenommen.
Aus Sicht von Werder Bremen verständlich. Man stelle sich aber vor, man „bestrafe“ Menschen für die Nichtnutzung von Tickets im öffentlichen Nahverkehr, Zeitungsabonnenten für das Nicht-Lesen von Seiten, Bibliotheksnutzer für zu wenige Ausleihen oder Theaterbesucher fürs Nicht-Kommen oder frühzeitige Verlassen von Aufführungen.
Den wirtschaftlichen Hintergrund erklärt just am gleichen Tag der US-Ticketingspezialist Dan Wakeman in seinem Newsletter. Er schreibt ausführlich über die Kennzahl „The Real Attendance“, also die „wahre Auslastung“, die er so errechnet: Prozentsatz verkaufter Tickets * Prozentsatz gescannter Tickets. Sein Beispiel: bei einem Event sind 75% der Tickets verkauft, 90% Prozent der Käufer erscheinen zum Spiel. Das ergibt eine „wahre“ Auslastung von 67,5%.
Ein Problem für den Veranstalter, weil ihm Umsätze entgehen. Er nennt Zahlen für Australien und die USA, die das Ausmaß der Ausfälle zeigen:
In Australia, your average Australian sports fan is estimated to spend around AU$ 100 per game in the stadium or at the pub.
A 2021 MLB survey pointed out that the average fan of Major League Baseball spent $51 per person at the game.
In the NFL, there is a wide range with the highest being around $75 and the lowest being around $30.
Let’s say that you have a 70,000-seat stadium in Australia that has a “The Real Attendance” number of 67%.
This means that you are going to lose an average of AU$ 2.31M per game.
A 40,000 seat MLB ballpark with “The Real Attendance” number of 30% during an early season midweek game?
That might be $1.5M in opportunity cost per game.
Zahlen für die Bundesliga im Allgemeinen oder die Heimspiele von Werder Bremen sind mir nicht bekannt.
Wakeman zitiert aber die Zahl „12%“ für die Noshows in der deutschen Bundesliga, die auch in einer Studie bei SmartPricer zu finden ist.
Die durchschnittliche Stadiongröße von 39.658 Plätzen ist errechnet aufgrund von Zahlen der Website Fussballmafia.de.
Die 306 Spiele ergeben sich aus den 18 Spielen je Mannschaft gegen 17 weitere Mannschaften (nähere Angaben hier).
Mit der folgenden Beispielrechnung zeige ich eine Simulation bei 12% Nicht-Besuchen mit einem Umsatzausfall von 25€.
Das ist eine Beispielberechnung. Wer Interesse hat, klicke auf das das Bild und stelle (begrenzt) ihre/seine eigenen Berechnung an über eine Eingabe im Feld „Umsatz Gastro pro Besuch“):

Die Ankündigung Werder Bremens (andere Clubs haben schon länger eine ähnliche Policy) ist verständlich. Wie sich das auf die Kundenbindung bzw. den Fan-Status auswirkt, ist offen.
Nachtrag 21.6.2025:
Heute schreibt der Weser-Kurier über No-Shows in der Arztpraxis. Es trifft aber auch Restaurants und Frisöre: https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-forderung-nach-klaren-regeln-fuer-no-show-gebuehren-doc814su4bq8psl51p4kbb
Im Sportteil wird noch mal zu Werder nachgelegt: https://www.weser-kurier.de/werder/werder-bremen-dauerkarten-verkauf-fuer-die-saison-2025-2026-gestartet-doc815rzhslavoctrtu6oq-snapp.html
Quellen:
„Werder-Dauerkarten: Maßnahmen für mehr Fairness und Verbindlichkeit greifen„, Website Werder Bremen (zuletzt abgerufen am 16.6.2025)
„Werder entzieht Hunderten Fans Dauerkarte„, Weser-Kurier, 12.6.2025 (ev. Paywall)
Weitere Quellen sind im Text verlinkt.
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