in Publikumsschwund

Was denkt das Publikum? Umfrage in NRW

Bild: Microsoft Bing Image Creator nach Vorgaben des Autors

Die Landestheater in NRW führten 2022 gemeinsam mit dem Software Innovation Campus Paderborn der Universität Paderborn eine Umfrage durch, unterstützt vom INTHEGA-Fachverband (Zusammenschluss der Bespieltheater ohne eigene Ensembles). Die Umfrage fand vom 15. August bis zum 31. Oktober 2022 statt. Auf der Basis der Ergebnisse soll eine kontinuierliche Umfrage entwickelt werden mit dem Ziel, diese alle 2 – 3 Jahre durchzuführen.

Insgesamt gibt es in NRW vier Landesbühnen:

Die Burghofbühne Dinslaken, das Landestheater Detmold, das Rheinische Landestheater Neuss und das Westfälische Landestheater Castrop-Rauxel – erfüllen eine Doppelfunktion: Zum einen bespielen sie in ihrer Stadt das eigene Haus. Zum anderen ist es ihr kulturpolitischer Auftrag, qualitätsvolles und mobiles Theater zu vertretbaren Preisen in die nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden ohne eigenes Theaterensemble zu bringen, um so ein dezentrales Kulturangebot auch außerhalb der Ballungsgebiete gewährleisten zu können.

Dazu spielen die vier Landesbühnen mit ihren eigenen Ensembles über 1.300 Vorstellungen im Jahr, davon durchschnittlich mehr als 50 Prozent als Gastspiele in fast 200 Kommunen Nordrhein-Westfalens und darüber hinaus. In der Spielzeit 2021/22 produzieren die vier Landestheater über 100 Inszenierungen. Mehr als ein Drittel aller Produktionen richtet sich an Kinder und Jugendliche.

https://landestheater-nrw.de/die-landestheater-nrw/

Einige Zahlen aus der Theaterstatistik zu den Landesbühnen:

Quellen: Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins für 2020/1 und Statistisches Jahrbuch NRW 2019

Die Teilnehmer:innen wurden gebeten, sich zu Beginn der Befragung einem von vier Typen zuzuordnen:

  • regelmäßige*r Besucher:in
  • gelegentliche*r Besucher:in
  • ehemalige*r Besucher:in
  • Nicht-Besucher:in

Eine Quantifizierung wurde nicht vorgegeben, es ist nicht ganz klar, was z. B. „gelegentliche“ Besuche bedeuten.

Damit eine Zuordnung der Teilnehmer:innen zu einzelnen teilnehmenden Einrichtungen erfolgen konnte, mussten sie aus einer Liste von Orten ihren Theaterort wählen. Ob Mehrfachnennungen, gerade im dicht besiedelten Ruhrgebiet, möglich waren, ist nicht erkennbar. Insgesamt gab es 35 Fragen zu sechs Themenblöcken:

  • Allgemeine Beurteilung des Theaters
  • Besuchsentscheidung
  • Wünsche, Interessen & Angebote (inkl. Fragen an Nicht-Besucher:innen, wie sie zurückgewonnen werden könnten)
  • Service & Medien
  • Freizeitgestaltung
  • Soziodemografische Angaben

Die vier Gruppen erhielten unterschiedliche Fragenkataloge.

Die Umfrage wurde digital durchgeführt, sie wurde über viele Kanäle beworben: Newsletter der teilnehmenden Einrichtungen, Spielzeithefte, Monatspläne, Anzeigen, Flyer, Medienberichte etc.. Erfahrungsgemäß erreicht man über diese Kanäle genau die motivierten theateraffinen Besucher:innen, die bereit und technisch in der Lage sind, solche Umfragen mitzumachen. Schon die weniger motivierten Besucher:innen erreicht man nicht mehr, die nichtinteressierten gar nicht.

Die Auswertungen wurden mit Hilfe eines Dashboards mit Filtereinrichtungen den Einrichtungen zur Verfügung gestellt.

Ein Blick auf die Teilnehmenden zeigt das fast schon übliche Bild: das Publikum ist überwiegend weiblich und überwiegend älter.

Insgesamt 30 Häuser haben die kostenfreie Umfrage genutzt und zusammen über 5.500 Menschen erreicht (überwiegend weibliche Teilnehmerinnen; Gros der Teilnehmerinnen zwischen 50 und 70 Jahre; bei den Nicht-Besucherinnen deutlich jünger: Großteil 20 bis 40 Jahre). Dabei wurde ein positives Stimmungsbild der Besucher*innen festgestellt. Das hohe Willkommensgefühl in den Spielstätten und das starke Engagement der Häuser im städtischen Alltag sollen aufrechterhalten werden.

Quelle: Ergebnisbericht Besucherumfrage

Die Anzahl der Nicht-Besucher:innen ist mit 224 TN allerdings gering. Dass die Hälfte dieser Gruppe angibt, „nicht zu wissen, was im Theater gezeigt wird“, ist eine übliche Angabe, die nicht immer nachvollziehbar ist.

Bei den Veranstaltungswünschen ergibt sich die folgende TOP5-Liste:

Auswertung vom Verfasser auf Basis des Ergebnisberichts (die Zahlen in den Balken = Nennungen)

Die abgeleiteten Handlungsempfehlungen sind noch recht unkonkret und bringen wenig neue Erkenntnisse:

Als Hauptbesuchsgründe der Besucherinnen wurden „der Wunsch nach Unterhaltung“, „Künstlerinnen sehen“, „Atmosphäre genießen“ sowie „Interesse an Stücken“ genannt. Diese sollten bei der zukünftigen Programmgestaltung berücksichtigt werden. Die aktuellen Krisen (u.a. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energie-Krise, Inflation) spiegeln sich dabei deutlich in den genannten Veranstaltungswünschen wider: Ein erheiterndes Programm (Komödie,
Musical, Kabarett, Comedy, Kleinkunst, Konzerte) wird stark gewünscht. Dies bedeutet aber nicht, dass ausschließlich diese Formate gespielt werden sollten, da auch anderen Sparten wie Klassiker oder zeitgenössische Stücke zahlreich genannt wurden. Dennoch sollte geprüft werden, ob und wie das Angebot dahingehend ausgebaut/erweitert werden kann.

Ob ein anderes Programm, günstigere Ticketpreise, flexiblere Abo-Modelle oder Kombi-Tickets für den ÖPNV (auf dem Lande sowieso eher schwer realisierbar, da die Fahrpläne i.d.R. schon sehr ausgedünnt sind) zu mehr Besucher:innen führen, ist fraglich. Die Inklusion von Kombi-Tickets führt i.d.R. zu höheren Ticketpreisen und könnte damit eher kontraproduktiv sein.

Ausgewählte Diagramme zu Einzelfragen

Bevorzugte Informationskanäle:

Quelle: Ergebnisbericht Besucherumfrage

Die Besucher:innen informieren sich überwiegend auf der Website der Veranstalter, gefolgt von Newslettern und den Publikationen der Veranstalter. Social Media, Plakatwerbung und Word-of-Mouth (Hinweise aus dem Bekannten- und Freundeskreis) liegen etwas gleichauf.

Vertriebskanäle:

Quelle: Ergebnisbericht Besucherumfrage

Der Onlinekauf überwiegt bei weitem, gefolgt vom Spontankauf an der Tages/Abendkasse. Erstaunlich hoch ist immer noch die Anzahl derer, die eher unverbindlich per Telefon oder E-Mail reservieren wollen – das macht den Theatern die meiste Arbeit und und sorgt wegen der Unverbindlichkeit für die höchsten No-Show-Raten (aus eigener Erfahrung in der freien Szene: um die 15-20%).

Nichtbesuchsgründe:

Quelle: Ergebnisbericht Besucherumfrage

Die meisten Publikumsbefragungen der letzten Zeit beschäftigen sich intensiv mit dem Verhalten der Besucher:innen während und nach der Pandemie (s. z. B. hier). Dies scheint hier in dieser Befragung kein eigener Themenblock gewesen zu sein. Erstaunlich niedrig ist die Anzahl der Befragten, die wegen der Pandemie von Theaterbesuchen (noch) absehen. Auch die Angabe, die Eintrittspreise sind zu hoch, ist – wie immer – mit Vorsicht zu genießen. Das ist oftmals eine Schutzbehauptung, denn bei Nachfragen zu diesem Thema sind die Eintrittspreise oftmals nicht bekannt.

Fazit:

Der Großteil der befragten Besucher*innen ist zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit dem bestehenden Angebot. Darüber hinaus spricht sich eine überwältigende Mehrheit (NRW-weit 2.913 von 3.192 [Anm.: weiter oben ist von 5.000 die Rede] Befragten) klar dafür aus, dass Kinder und Jugendliche regelmäßig Kulturveranstaltungen besuchen sollten. Zahlreiche Kommentare sprechen von der teilweise sehr persönlichen Bindung zur Spielstätte vor Ort und machen deutlich, welche Bedeutung ein solches Haus und die (engagierten) Menschen dahinter für eine Stadtgesellschaft spielen.

Quelle: „Fragst du dich auch, was dein Publikum denkt?“ Ergebnisbericht Besucherumfrage 2022/23. Die Landestheater NRW GbR, Büro der Landestheater NRW. Bisher nicht online verfügbar, Bezug über buero@landestheater-nrw.de.

Alle Abbildungen und Zitate mit freundlicher Genehmigung des Büros der Landestheater NRW.


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