in Publikumsschwund

Unflexibles Abo-System im Theater: Wären mehr Besuche möglich bei weniger Abos?

Badisches Staatstheater Karlsruhe, Großes Haus, Photo: Andreas Praefcke (via Wikipedia)

Die Abozahlen in deutschen Theatern lassen seit vielen Jahren nach, wie ich in meinem Buch „Publikumschwund?“ nachgewiesen habe. Hier zwei Grafiken, die die Entwicklung aufzeigen. Besucherorganisationen (BO) muss man immer mitdenken, da diese neben den Theatern selbst ebenfalls Abos verkaufen. Auf dem Höhepunkt der Theaterbesuche anfangs der 60er Jahre wurden fast 60% der Eintrittskarten über Abos (Theater und BO zusammen) verkauft, heute gibt es kaum noch nennenswerte BO (in Karlsruhe immerhin noch drei, in Bremen z.B. schon länger keine mehr) und die Abo-Tickets in den Theatern sind auf 16,4% geschrumpft (für Karlsruhe liegen mir keine Zahlen vor).

Theaterbesuche in Mio
Theaterbesuche in % von 100

In diesem Zusammenhang interessant ist daher das Interview mit Intendant Christian Firmbach in den Badischen Neuen Nachrichte (BNN) über seine erste Spielzeit in Karlsruhe und anstehende Kürzungen, die dramatische Folgen für die Sparten, den Spielplan und das Personal haben würden.

Die Zuschauerzahlen konnten gehalten werden, trotz Intendanzwechsel.

Allerdings sei das ausgefeilte Abo-System Fluch und Segen zugleich:

„Das Abosystem ist für uns eine sehr wichtige Stütze. Aber es erfordert auch eine sehr engmaschige und langfristige Planung eines sehr komplexen Apparats, nicht zuletzt wegen der Verfügbarkeit des Ensembles. Im Großen Haus ist auf ein Jahr hinaus quasi jeder Tag durchgetaktet. Da kann man nicht auf Sicht fahren und sagen: „Wenn’s gut läuft, spielen wir das eine Stück fünf Mal mehr und das andere fünf Mal weniger.“ Aber natürlich wollen wir die Nachfrage, nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen, bedienen und werden „The Wreckers“ in der übernächsten Spielzeit wieder anbieten, wo es ein passendes Zeitfenster gibt.“

Die Frage stellt sich also: Wenn das Abo-System ein Theater so unflexibel macht, das weder bei Erfolgen noch bei Misserfolgen Änderungen am Spielplan möglich sind, ist es dann noch zeitgemäß?

Kleinteilige Abos machen sicher auch anderen Theatern Probleme. Möglicherweise überwiegt die Angst, Abonnent:innen zu verlieren bei Änderungen oder Zusammenlegungen…

Der Verkauf von Tageskarten ist mühsamer, aber mittlerweile gelebte Realität.

Wie sich die Abozahlen nach der Pandemie entwickelt haben werden, wird sich sicher erst in der nächsten Theaterstatistik 2023/24 (Erscheinungstermin ca. März 2026) und danach zeigen.

Dass der Aboschwund nicht unumkehrbar ist, zeigt Magnus Still mit seinen erstaunlichen Orchestergeschichten immer wieder (s. div. Blogbeiträge). Aber Orchester sind etwas anderes als der Repertoirebetrieb in deutschen Theatern und Opernhäusern.


Quellen:

„Staatstheater Karlsruhe: Intendant sieht bei Kürzungen zwei Sparten bedroht“, https://bnn.de/karlsruhe/karlsruhe-stadt/staatstheater-chef-in-karlsruhe-bei-kuerzungen-zwei-sparten-bedroht, 25.7.2025

Glaap, Rainer: Publikumschwund? Ein Blick auf die Theaterstatistik seit 1949


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