
Foto: MGBiblio, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Vorab: Ich bin ein großer Fan von Paavo Järvi. Als Abonnent zweier Aboreihen der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen habe ich mehrmals im Jahr den Genuss, ihn dirigieren zu sehen und zu hören. Konzerte mit ihm sind immer Höhepunkte des Bremer Konzertlebens (selbst, wenn er Haydn dirigiert 😉 ).
Der Autor Christian Wildhagen hat in der NZZ in kurzer Folge zwei Artikel über die Tonhalle und Konzerte mit Paavo Järvi geschrieben.
Den ersten unter der Überschrift „Plötzlich steht da ein neuer Järvi am Pult“ am 5.2.2024, den zweiten wenige Tage später am 9.2.2024 mit dem Titel „Plötzlich bleibt die Tonhalle leer„.
In beiden geht es um Konzerte mit Paavo Järvi. Also was ist passiert? Im ersten Artikel beschreibt er ein neues Konzertformat des Tonhallenorchesters, mit dem neues und junges Publikum gewonnen werden solle (wer will das nicht?). Dazu kämen die Nachwirkungen von Corona:
Dennoch dürfte allen Veranstaltern klar sein, dass sie sich nicht in Sicherheit wiegen können: Der Verlust von Teilen des Publikums ist seit der Corona-Krise kein theoretisches Horrorszenario mehr, sondern Fakt. Die Kulturbetriebe spüren ihn, viele haben bis heute noch nicht wieder die Auslastungszahlen von 2019 erreicht. Die Überalterung ist dabei freilich nur ein Aspekt des Problems.
Auch die zunehmende Digitalisierung mache dem Konzertwesen allgemein zu schaffen. Die Antwort auf die Misere solle seit letztem Herbst ein neues Format geben:
Die Tonhalle-Gesellschaft Zürich erprobt allerdings seit dem Herbst ein Konzertmodell, das sich wie eine Kampfansage an die digitale Konkurrenz ausnimmt. «Crush» nennt sich das Programm, und zerkleinert wird da zunächst einmal der Ticketpreis: 20 Franken für alle unter dreissig, 55 Franken Einheitspreis für alle anderen.
Beim „Crush“-Format wird nur ein Hauptwerk gespielt. Vor dem Konzert findet ein moderiertes Gespräch mit Paavo Järvi statt, in dem er auch einigeTipps von für das aktive Zuhören gibt.
Sein Artikel endet mit einer sehr positiven Note:
Das «Crush»-Publikum war schon jetzt ganz aus dem Häuschen.
Im zweiten Artikel vom 9.2. schreibt er über ein Konzert in der Folgewoche und erwähnt noch einmal ausdrücklich den Erfolg der Mahler 5 Konzerte in der Vorwoche auch bei jungen Menschen, die man vorher noch nicht im Konzert gesehen habe.
Diesmal hat aber wohl der Crush-Ansatz nicht funktioniert. Mit Vilde Fang war eine Solistin von Weltrang geboten, gespielt wurden Beethovens Leonoren-Ouvertüre, Béla Bartóks Violinkonzert und eine Sinfonie des Komponisten Carl Nielsen. Aber das Publikum war zurückhaltend, schreibt Wildhagen:
… aber allein im Parkett der Tonhalle blieb am Mittwochabend geschätzt mehr als ein Drittel der Sitzplätze leer. Auch bei zwei Wiederholungen schien die Nachfrage nach Karten nicht grösser.
Er führt das auf die Auswahl der Werke zurück, Bartóks Musik sei nicht jederfraus Sache und Nielsen gehöre zu den eher selten gespielten Komponisten (ein Zeitgenosse von Sibelius).
Schade, dass das Publikum nicht aufgeschlossen genug war. Wäre es verstärkt gekommen, hätte es sich sicher von Paavo Järvi mitreißen lassen, wie ich mich von seinen Haydn-Dirigaten. Ist es also doch die Programmierung? Aubrey Bergauer schreibt viel über dieses Thema und ihre zentrale Aussage zum Thema ist immer: „It’s not the music, stupid!“. Aber das ist ein anderes Thema.
Quellen:
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