in Publikumsschwund

Publikumsschwund beendet? Bühnenverein veröffentlicht Umfrage

Der Deutsche Bühnenverein hat gestern diese Pressemeldung veröffentlicht:

Eine Umfrage, die der Deutsche Bühnenverein – Bundesverband der Theater und Orchester unter seinen Mitgliedsbühnen zur Entwicklung der Besuchs- und Vorstellungszahlen durchgeführt hat, bestätigt, dass die Zahl der Zuschauer:innen nach einem eher verhaltenen Start in die Spielzeit 2022/23 seit November deutlich zugenommen hat.

Dazu Dr. Carsten Brosda, Präsident des Deutschen Bühnenvereins: „Die Ergebnisse der Umfrage zeigen eine neue Aufbruchstimmung an den Bühnen. Das Publikum verspürt wieder Lust auf sinnhaftes und unmittelbares Erleben im Theater. Die Möglichkeiten, eine andere Wirklichkeit zu spielen und sich in andere Welten zu träumen, werden verstärkt nachgefragt. Das macht Mut und Hoffnung. Sind es doch gerade die Bühnen, die uns insbesondere in krisenhaften Zeiten Sinn und Zusammenhalt geben können.“

Von 311 befragten Staats- und Stadttheatern, Landesbühnen, Privattheatern, selbstständigen Sinfonieorchestern sowie Außerordentlichen Mitgliedern haben sich 131 Häuser aus allen Bundesländern an der Umfrage beteiligt. Angegeben wurden neben den Besuchszahlen auch die monatliche Anzahl der Vorstellungen (siehe Anlage).

Die Besuchszahlen stiegen von durchschnittlich knapp 4.000 Personen im Januar 2022 auf rund 17.000 Personen im Dezember 2022. Auch die Zahl der Vorstellungen hat sich seit Herbst 2022 deutlich erhöht. Im Vergleich zum Spielzeitstart haben die Mitgliedshäuser im Dezember 2022 durchschnittlich 38 Prozent mehr Vorstellungen und Konzerte gespielt.

Die durchschnittliche Auslastung stieg somit von 67 Prozent zum Beginn der Spielzeit 2022/23 (September) auf 72 Prozent im November und 80 Prozent im Dezember.

https://www.buehnenverein.de/de/presse/pressemitteilungen.html?det=662

In der Anlage wurden zwei Grafiken veröffentlicht. Einmal wird die monatliche Entwicklung der Besuchszahlen gezeigt, die seit Beginn der Spielzeit im August/September kontinuierlich steigen:

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Bühnenvereins, 15.2.2023

Die zweite Grafik zeigt die Entwicklung der Vorstellungszahlen, die seit Spielzeitbeginn auch stark zugenommen haben. Das erste Halbjahr war ja doch noch stark von Vorstellungsausfällen aufgrund von Erkrankungen in den Ensembles geprägt.

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Bühnenvereins, 15.2.2023

Meine Meinung

Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Leider hat sich nur etwas mehr als ein Drittel der angefragten Häuser an der Umfrage beteiligt. Möglicherweise haben sich die Häuser, deren Entwicklung nicht so positiv war, sich gerade deswegen nicht beteiligt.

Dazu darf man bei der Betrachtung nicht vergessen, dass November und Dezember die Monate der Weihnachtsstücke in den Theatern sind. Wenn die großen Bühnen in diesen Monaten mit 30-60 Vorstellungen voll besetzt sind, ist das für die Besuchszahl sehr gut, sagt aber nichts über die Auslastung der anderen Produktionen. Und: die Kindervorstellungen sind natürlich wichtig für die kulturelle Bildung, für viele Kinder stellt der Besuch oft die erste (und einzige) Theatererfahrung in ihrem Leben dar. Das ist aber finanziell natürlich nicht besonders ertragreich. Interessant wäre daher zu erfahren, wie der durchschnittliche Ticketpreis sich entwickelt hat.

Es gibt sehr viele Berichte über sinkende Abozahlen, auf dieses Thema geht der Bericht des Bühnenvereins gar nicht ein. Erst kürzlich hatte UNISONO (Verband der Orchestermusiker) bekanntgegeben, dass z. B. die Orchester immer noch mit stark verminderten Abozahlen leben müssen (s. Blogbeitrag dazu hier).

Die Frage der Auslastung muss man sicher sehr differenziert sehen. Immer noch gibt es Häuser, die bei Produktionen z. B. die Ränge sperren. Die Auslastung berechnet sich dann oft auf der Zahl der freigegebenen, nicht auf der Basis der vorhandenen Plätze. Fiktives Beispiel: Ein Saal hat 1.000 Plätze, aufgeteilt in Parkett (600), Rang I (200) u. Rang II (200). Läuft der Verkauf eher schleppend, werden gerne die Ränge gesperrt. Tabellarisch würde das so aussehen:

Beispiel: der Autor
Saalplan-Beispiel für ein großes Haus mit gesperrten Rängen (die Plätze sind nicht im Verkauf, könnten aber bei Bedarf freigeschaltet werden).

Und richtig aussagekräftig wären die Zahlen eigentlich nur, wenn man im Vergleich bis zur letzten vollständigen Spielzeit 2018/19 zurückgehen würde – nur dann könnte man wirklich sehen, wie die Zahlen sich entwickelt haben. Die Entwicklung in 2022 ist natürlich positiv – aber wo stehen die Häuser im Vergleich zu vorpandemischen Zeiten?


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  • Österreich: Publikumsschwund im Sprechtheater – Publikumsschwund

    […] Das ist auch gelebte Praxis an deutschen Theatern. Mein (fiktives) Beispiel zur Steuerung von Auslastungszahlen aus einem früheren Blogbeitrag: […]

  • [Now with English Diagrams] Theater Statistics – Key Performance Indicators for the Seasons 2000 – 2021 – Publikumsschwund

    […] an der Umfrage beteiligtm was die Aussagekraft der Untersuchung doch stark schmälert. Ich habe hier über die Umfrage berichtet, die Pressemeldung findet sich […]

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