
Christian Gampert, FAZ, holt mit der Keule gegen das zeitgenössische Theater ganz weit aus. Und sucht den Publikumsschwund nicht in der Pandemie, sondern schon davor (und er ist damit nicht allein, das haben auch andere schon konstatiert, nicht zuletzt Simon Strauss).
Gampert beklagt, dass die Bühnen generell zu Orten des „politischen Aktivismus“ mutiert seien: Klimawandel, Genderdebatte, Klassismus, Kapitalismus usw. seien Themen, die oft auch als Auftragsarbeiten im Theater behandelt würden.
Die dabei entstehende „Kampfprosa aus der Theaterküche“ verweise auf ein ganz anderes Problem:
Man zahlt Schauspielern und Regisseuren Geld, damit sie Theater machen; sie aber fühlen sich zu noch Höherem berufen: zur Politik. Es gibt fast keinen Intendanten, der seine Bestellung nicht als Freifahrtschein zur Verbreitung seiner politischen Weltsicht betrachtet.
Das Theater heute in großen Teilen „narzisstisch-selbstbezüglich, politisch anmaßend, ästhetisch beliebig“. Manchmal natürlich „großartig, aber in vielen Fällen auch einfach nur schlecht“. Und dazu gebe es jede Menge Alternativen.
Solange selbst jede Klassiker-Inszenierung zum verlängerten Arm eines politischen Diskurses würde, der belehrend auf das Publikum einwirken wolle, sei die Langeweile für weite Teile des Publikums garantiert.
Hinzu komme:
An zu vielen Theatern besteht ein ungeheurer Meinungs- und Konformitätsdruck – so wie an zu vielen Universitäten. Der Trick dabei: Jede Kritik an diesem gut subventionierten System wird als Einschränkung der Kunstfreiheit zurückgewiesen. Aber wieso sollte ein gut informiertes, gebildetes Publikum sich für dieses ideologische Dauerfeuer interessieren?
Gibt es Hoffnung? Gampert schlägt vor, sich wieder mehr auf die Klassiker der Regie zu beziehen und nennt Peter Brook: mehr als einen leeren Raum, eine Handvoll Schauspieler:innen und eine gute Idee brauche es nicht.
Aber eben nicht den moralischen Zeigefinder …
Quelle: Die Schaubühne als aktivistische Anstalt. FAZ, 3.10.2022 (Paywall)
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