
Im Hamburg Journal am am 14.12. wurden der ZEIT-Journalist Florian Zinnecker und ich zur Hamburger Oper und den Neubauplänen befragt (meine Blogbeiträge hier und hier). Wie viel von seinem Interview gesendet wurde, kann ich natürlich nicht sagen, auf ZEIT-Online legt er am 23.12.2024 einen langen Bericht über die Geschichte der Planung dieses Opern-Neubaus nach:
Dreihundertfünfzig Millionen
Das Geschenk: Braucht die Stadt Hamburg ein neues Opernhaus? Und darf sie es sich spendieren lassen? Jetzt wird ausgepackt.
Er beschreibt den geplanten Standort, den Baakenhöft, und seine gelegentliche Nutzung durch Kampnagel, das Thalia Theater und die Abfertigung kleinerer Kreuzfahrtschiffe. Daneben noch der Prototyp eines hochwassersicheren Panorama-Bungalows.
Allerdings kenne nur ein sehr kleiner Kreis von Eingeweihten die Pläne für den Neubau der Oper.
Und dieses Detail ist es, was den Hamburger Opernplan gänzlich unglaublich macht. In Hamburg, darüber herrscht in der Stadt einhellige Zustimmung, hätte niemand je ernsthaft über einen Opern-Neubau nachgedacht – bis Kühne kam. Es ist nämlich weder so, dass die Menschen in Hamburg seit Langem auf ein neues Opernhaus warteten, noch so, dass sie das Gefühl hätten, sie bräuchten überhaupt dringend eines. Oper, das legen die Zahlen des Deutschen Bühnenvereins nahe, ist in Hamburg gar nicht so besonders gefragt: In den 1970er-Jahren zählte die Hamburgische Staatsoper mehr als 400.000 Besucher pro Saison, heute sind es weit weniger als die Hälfte.
Die geplanten Kosten (oder die Spende als Teilbetrag?), so schreibt auch Zinnacker, sollen bei 300 bis 350 Millionen liegen, er weist aber auch noch mal auf die Geschichte der Elbphilharmonie hin, die mal mit groben 70 Millionen € geschätzt war und dann 780 Millionen € gekostet hat.
Was Zinnecker in diesem Artikel nicht schreibt: Die Kosten für Renovierungen und Neubauten explodieren geradezu. Die Renovierung des Kölner Ensembles für Theater und Oper sollten ursprünglich um die 220 Mio € kosten, das Projekt liegt fast ein Jahrzehnt hinter dem Zeitplan und wird zur Fertigstellung um die 1,2 Mrd € gekostet haben. Der Neubau der Stuttgarter Oper wird auf 1,5 bis 2 Mrd. € geschätzt, Düsseldorf auf 1,2 Mrd €, die Renovierung der Komischen Oper in Berlin auf 500 Mio €, in Frankfurt rechnet man mit Neubaukosten für Oper und Theater von 1 Mrd € und mehr. man fragt sich, warum ausgerechnet Hamburg mit sehr viel weniger Geld auskommen sollte…
Ursprünglich sei die Idee zu diesem Neubau aber nicht von Kühne, sondern vom derzeitigen Generalmusikdirektor der Staatsoper, Kent Nagano, aufgebracht worden (der in Bälde Hamburg gen Spanien verlassen wird). Nagano habe Kühne einen Brief geschrieben mit dem Vorschlag eines Neubaus, der wiederum habe sich an den Kultursenator Carsten Brosda wandte, der dem Plan aber eine Absage erteilt habe. Aber:
Denn zwar stellte Kühne tatsächlich den Bau eines Opernhauses in Aussicht, allerdings als Teil eines für ihn einträglichen Immobiliendeals. Er bliebe Eigentümer der Oper und würde sie an die Stadt vermieten; überdies bekäme er im Gegenzug die alte Oper in der Innenstadt, dürfe das denkmalgeschützte Gebäude abreißen und auf dem Grundstück ein Investorenprojekt entwickeln. Letzteres im Übrigen zusammen mit dem österreichischen Immobilientycoon René Benko, mit dem Kühne bereits ein benachbartes Innenstadt-Grundstück bestellte, auf dem bis dahin eine Einkaufspassage stand. Unter anderem mit Geld von Kühne begann Benko außerdem, einen von David Chipperfield entworfenen, 245 Meter hohen Wolkenkratzer in der HafenCity zu bauen, den sogenannten Elbtower. Heute ist Benko pleite, das Grundstück neben der Oper eine Brache, und auf der Elbtower-Baustelle tut sich seit mehr als einem Jahr nichts mehr. In der Insolvenz versenkte Kühne nach eigenen Angaben etwa eine halbe Milliarde Euro.
Wie es nun weitergeht, ist wohl offen. Eine offene Debatte in der Stadt sei wohl eher nicht erwünscht. Von Seiten der Behörde gebe es keinen Zeitdruck, auch wenn Kühne in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecke, ein Baubeginn innerhalb weniger Monate sei denkbar.
Im März sind in Hamburg Wahlen, wer weiß, wie diese ausgehen und welche Folgen das für die Kulturpolitik der Stadt haben wird.
Ach ja, und über die Geschichte des Unternehmens Kühne&Nagel und seine Verstrickungen in der Nazi-Zeit wird auch noch zu reden sein.
Quelle: Dreihundertfünfzig Millionen, Florian Zinnecker, ZEIT 55/2024 (Paywall)
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