in Publikumsschwund

Kühne-Oper in Hamburg?

Stolperstein vor der Hamburger Staatsoper zum Gedenken an jüdische Mitarbeiter
Bild: © Ajepbah / Wikimedia Commons / Lizenz: CC-BY-SA-3.0 DE

Am 14.12.2024 berichtete das Hamburg Journal des NDR erneut über die Lage der Oper in Hamburg und das Angebot des Milliardärs Klaus-Michael Kühne (Kühne & Nagel, mit Sitz auch in Bremen).

Kühne will bekanntlich der Stadt Hamburg 350 Millionen € schenken, damit die Stadt eine neue Oper bauen kann. Natürlich auch als Denkmal für Kühne, der zwar vor vielen Jahren aus Steuergründen in die Schweiz migrierte, in Hamburg aber gerne als Philantropist gefeiert werden möchte. Seine 120 Mio € Investment in den HSV haben nicht ganz das gewünschte Ergebnis gezeitigt, da bietet sich ein Opernhaus als neues Denkmal an.

Peter Kleffmann vom NDR hatte mich kontaktiert zur Einschätzung der Lage (Braucht Hamburg ein neues Opernhaus?) und lud mich zum Interview. Ich hatte mir dafür noch mal die Theaterstatistik vorgenommen und die wesentlichen Kennzahlen zur Oper herausgearbeitet – dafür war der Moderator auch ganz dankbar, tat sich die Kulturverwaltung auf Anfrage doch etwas schwer, die gewünschten Zahlen über einen längeren Zeitraum zu liefern.

Das Interview dauerte ca. 20 Minuten, in der Sendung blieb dann gerade noch ein Satz von mir zum Thema Relevanz (Was kann die Oper tun, um junges Publikum anzuziehen?). Selbst die Wahrsagerin hatte gefühlt mehr Airtime als ich.

Hier sind sie nun, die Zahlen aus der Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins:

Besuche Oper und Ballett in Hamburg seit 1966; Quelle. Summentabellen des Deutschen Bühnenvereins

Im NDR-Beitrag zieht man die Musikangebote inkl. der Konzerte in Laiszhalle, Elbphilharmonie und Oper zusammen, das ist wenig übersichtlich (wobei die Besuchszahlen der Elphilarmonie imposant gestiegen sind!).

Wenn man die reinen Besuchszahlen der Oper betrachtet, hat diese seit 1966/67 (dem Höhepunkt des deutschen Opernbooms, 57% an Besuchen verloren (wie viele Besucher:innen das sind, kann nicht bestimmt werden), beim Ballett um 110% zugelegt (ganz im bundesdeutschen Trend). Kombiniert man beide Zahlen, kommen 35% weniger Besucher:innen in die Oper für Musiktheater und Ballett als noch 1966/67.

Hamburg Journal, Quelle: NDR (Link s. u., Beitrag Oper ab ca. Min. 4:20)

Kühne (Jg. 1937) ist der Sohn des Alfred Kühne, der unter den Nazis sein Vermögen damit begründet hat, das ehemalige Eigentum jüdischer Familien durch halb Europa zu transportierten und zu helfen, es gewinnbringend zu verkaufen. Ausführlich erst kürzlich wieder ausführlich in der US-Zeitschrift Vanity Fair beschrieben:

„The Richest Man in Germany Is Worth $44 Billion.
The Source of His Family Fortune?
The Nazis Know.“

Der niederländische Autor David de Jong hat lange Jahre recherchiert, auch in Deutschland, und in 2022 sein Buch „Nazi Billionaires“ veröffentlicht. Die Geschichte der Firma wurde zwar im Auftrag von Kühne recherchiert, das Ergebnis darf aber nicht publiziert werden.

2023 wurde nach langem Kampf in Bremen unweit des Kühne & Nagel Bürogebäudes an der Weser das sogenannte „Arisierungsdenkmal“ eingeweiht. Die Jüdische Allgemeine berichtete:

„Das von dem Bremer Journalisten und Kulturwissenschaftler Henning Bleyl initiierte und von Evin Oettingshausen entworfene Mahnmal bezieht sich auf die »Aktion M« der Nationalsozialisten, an der unter anderen die Firma Kühne und Nagel beteiligt war: Der Logistik-Konzern mit seinem Bremer Firmensitz unweit der Weser-Arkaden transportierte geraubte Möbel von jüdischen Deportierten durch Europa nach Deutschland und verdiente so an der »Arisierung«, der Ausplünderung jüdischen Eigentums. Geraubte Gegenstände wurden auf sogenannten »Judenauktionen« billig an die »Volksgemeinschaft« abgegeben.“

Die von Kühne angebotenen 350 Mio € würden nur einen Bruchteil der Kosten eines Opern-Neubaus finanzieren, glaubt man den aktuellen Zahlen aus Berlin (450 Mio für die Renovierung der Komischen Oper, 2 Milliarden für den Neubau einer Oper in Stuttgart, 1+ Milliarde für den Neubau einer Oper in Düsseldorf etc.). Wir erinnern uns: Die Elbphilharmonie wurde mit der groben Schätzung von ca. 70 Mio € begonnen. Die Endabrechnung lag dann 11x höher bei 780 Mio €.

Ist Klaus-Michael Kühne also der Richtige, um (in) Hamburg ein Denkmal in Form eines Opernhauses zu errichten?

Quelle: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/Hamburg-Journal,sendung1497282.html (ab ca. 4:20 min, Dauer ca. 5 min.).

David de Jong: Nazi Billionaires. The Dark History of Germany’s Wealthiest Dynasties, Harper Collins, 2022

Jüdische Allgemeine: Bremer »Arisierungs«-Mahnmal eingeweiht, 11.9.2023

Stolpersteine – Die Website


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