in Publikumsschwund

Kostenloser Museumssonntag in Berlin erfolgreich: 2,5x mehr Besucher:innen

Neue Nationalgalerie, Berlin
Foto: Rainer Glaap

Das Institut für kulturelle Teilnahmeforschung IKTF in Berlin hat die Maßnahme des Berliner Senats begleitet, mehr als 70 Museen in Berlin am jeweils ersten Sonntag im Monat ohne Eintritt zu öffnen. Der Forschungszeitraum umfasst 12 Sonntage von Mitte 2021 bis Mitte 2022.

Die Ergebnisse sind in einer ausführlichen Studie zusammengefasst – und überraschen.

Die allgemeine Forschungslage zeigt bisher, dass kostenloser Eintritt eher kurzfristig wirkt, wenn überhaupt, und dass in der Regel die Menschen, die regelmäßig oder häufig kommen, bei freiem Eintritt öfter kommen (s. Blog-Beitrag „Freier Eintritt = neue und mehr Besucher:innen? Eine Fehleinschätzung!„). Neue Zielgruppen – der Traum einer jeden Kultureinrichtung – konnten lt. Forschung nur wenig oder gar nicht erreicht werden. Tibor Klement, der Co-Autor der vorliegenden Studie, hat dazu vor längerer Zeit eine Forschungsarbeit vorgelegt: „Der freie Eintritt im Museum: Auswirkungen auf die Publikumsgewinnung, Einnahmen und umgebenden Museen im Kontext des Humboldt Forum Berlin | Mitteilungen und Berichte aus dem Institut für Museumsforschung Nr. 55″.

Ganz anders die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts:

Rein quantitativ kann die Maßnahme als ein großer Erfolg bezeichnet werden, insbesondere da es in der COVID-19-Pandemie über viele Monate stark erschwerten Rahmenbedingungen trotzen musste. Das gilt auf der Angebotsseite wie auch auf der Nachfrageseite: Im Jahr 2021 besuchten rund 155.000 Menschen an sechs Sonntagen die insgesamt 64 teilnehmenden Museen, im Jahr 2022 waren dies an den sechs Sonntagen bis einschließlich Juni sogar gut 200.000 Menschen in den inzwischen mehr als 70 teilnehmenden Häusern. In den ersten zwölf Monaten konnte der eintrittsfreie Museumssonntag somit fast 400.000 Besucherinnen für sich gewinnen. Auf Basis vorliegender Besuchszahlen von teilnehmenden landesgeförderten Museen in Berlin dürfte es sich summa summarum hochgerechnet um grob 2,5‑mal so viele Besucherinnen wie an regulären Sonntagen handeln.

Hier ein Blick auf die Kernergebnissen:

Vera Allmanritter, Tibor Klement, Britta Nörenberg:
Eintrittsfreier Museumssonntag in Berlin 2021/2022

Weitere Erkenntnis: das Besucher-Interesse bezog sich überwiegend auf die Dauerausstellungen, weitere Angebote der Museen waren kaum bekannt und wurden auch nicht in Anspruch genommen.

Teilgenommen haben insgesamt 76 Berliner Museen (die vollständige Liste befindet sich hier) – sicher auch ein großer Faktor für den Bekanntheitsgrad der Aktion, die durch umfangreiche Werbemaßnahmen unterstützt wurde.

Befragt wurden die Besucher:innen in diesen ausgewählten Museen (nur an den eintrittsfreien Sonntagen):

  • Berlinische Galerie
  • Bröhan-Museum
  • Brücke-Museum
  • Domäne Dahlem Museum
  • Georg Kolbe Museum
  • Humboldt Forum (NUR Ausstellung Berlin Global, ab Januar 2022)
  • Käthe-Kollwitz-Museum
  • Kunsthaus Dahlem
  • Kunst-Werke Berlin/KW Institute for Contemporary Art
  • Märkisches Museum
  • Museum der Dinge/Werkbundarchiv
  • Museumsdorf Düppel
  • Nikolaikirche
  • Schwules Museum
  • Stiftung Deutsches Technikmuseum

Wie nachhaltig das Angebot sein wird, ob Besucher:innen wiederkommen und wie oft, wird in weiteren Studien untersucht werden müssen.

Vera Allmanritter, Co-Autorin der Studie, hat auf meine Nachfrage, ob solche Aktionen auch für andere Städte sinnvoll seien, u.a. geantwortet:

Es spricht nichts dagegen, allerdings muss klar sein, es braucht ein klares kulturpolitisches Ziel, der fehlende Eintritt allein bewirkt wenig andere Zusammensetzung, es braucht zudem eine Gegenfinanzierung wg. etwaiger Einnahmeeinbußen der Häuser und Zuschüsse für gesonderte Angebote an den Tagen. Es braucht eine Kommunikationskampagne. Sprich: das kostet Geld.

Dazu kämen viele weitere Rahmenbedingungen, die erfüllt werden müssten, damit solche Kampagnen erfolgreich werden, z.b. die bessere personelle Ausstattung an solchen Tagen zur Bewältigung des Andrangs, klare Kommunikation in und an den Einrichtungen, da nicht alle Menschen über dieses besondere Angebot informiert seien, andere Angebote in Shops und Cafés etc..

Anmerkung des Autors: Für Berlin-Reisende empfiehlt sich, kostenlose Eintrittskarten vorab zu buchen. Die Buchungen werden jeweils eine Woche vor dem Museumssonntag freigeschaltet und sind in einigen Einrichtungen erfahrungsgemäß schnell vergriffen.

Quelle: Vera Allmanritter, Tibor Kliment, Britta Nörenberg: Eintrittsfreier Museumssonntag in Berlin 2021/2022. IKTF, 2022


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