in Publikumsschwund

Ist der Gardasee wirklich halb leer? Vom Umgang mit Statistiken

Gardasee, Blick auf Malcesine (1978). Foto: Rainer Glaap

Das könnte man annehmen, wenn man diversen Pressemeldungen (auch renommierter Zeitungen) der letzten Wochen gefolgt wäre.

Dieser Blog beschäftigt sich viel mit Statistiken zu unterschiedlichen Themenfeldern in der Kultur, insbesondere natürlich Besuche(r)n (Theaterstatistik, Museumsbesuche usw.). Sowohl bei der Erstellung von Statistiken als auch beim Lesen von Statistiken gibt es viele Fallstricke.

Dem RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsförderung muss man daher dankbar sein für die monatlich vorgestellte „Unstatistik“, in der falsche Rechnungen, fehlgelaufene Interpretationen und abenteuerliche Vermutungen aufs Korn genommen werden.

Ende Mai ging es um eine Meldung, die vielfach verbreitet wurde: der Gardasee sei halb ausgetrocknet und in seiner Existenz gefährdet. Ein Blick auf die Website gardasee.de hätte sofort Auskunft über den „Ernst der Lage“ gegeben, das war aber offenbar ein Klick zu viel für viele Journalist:innen, die die falschen Angaben ungeprüft übernommen haben.

Quelle: Google Recherche am 1.6.2023

Das RWI wundert sich also:

Trotz aller Aufregung in der deutschsprachigen Medienwelt berichteten die Gäste am Gardasee Vorort von einem wunderschönen Urlaub. Auch auf den Satellitenbildern können wir beim besten Willen keinen Unterschied im Wasserstand zwischen diesem und dem vergangenen Jahr erkennen. Wo liegt hier das Problem? Die Antwort: in der Zahlenblindheit mancher Medien. 

Das RWI zeigt, wie eine korrekte Berichterstattung hätte aussehen können:

Im Vergleich zum Vorjahr war Mitte März 2023 der Wasserstand des Gardasees 53 Zentimeter niedriger. Also 53 Zentimeter von etwa 135 Metern – nicht die Hälfte des Fassungsvermögens des Sees oder gar mehr. Hinzu kommt, dass der Pegelstand stark über das Jahr hinweg schwankt. Zudem lag er am 22. Mai 2023 auch schon wieder bei 80 Zentimetern – mit steigender Tendenz. Der Pegelstand schwankt überdies stark von Jahr zu Jahr. Am 15. Mai 2007 lag er beispielsweise ebenfalls bei 46 Zentimetern, wie in der derzeit alarmierenden Meldung. Zehn Jahre später, am 15. Mai 2017, lag er dann bei 107 Zentimetern. Jede Veränderung muss man gegen die natürlichen Schwankungen abwägen.

Ich empfehle den Newsletter zur Unstatistik, er bringt jeden Monat Erkenntnisgewinne.

Quelle: Der Gardasee ist halb leer. 30.5.2023


Entdecke mehr von Publikumsschwund

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Schreibe einen Kommentar

Kommentar