in Publikumsschwund

Intendantin gereizt: Publikumszuspruch beschäftigt sie nicht so sehr wie andere Fragen

Die Volksbühne in Berlin zu Zeiten von Frank Castorf. Aufnahme: Rainer Glaap

Nachdem schon Christian Gambert vor einigen Tagen in der FAZ mit „Die Schaubühne als aktivistische Anstalt“ vorgelegt hatte, legt jetzt Peter Laudenbach in der SZ weitere Aspekte nach. Nicht behauptete Systemrelevanz sei wichtig für das Überleben von Kultureinrichtungen (die Verteilungskämpfe werden schon früh genug einsetzen), sondern rege Besuche von Zuschauer:innen mit einem nachgewiesenen Interesse an den Produktionen.

Erfreulich sei, dass viele Theater die Zeichen der Zeit erkannt hätten, so seien zumindest einzelne Produktionen am Düsseldorfer Schauspielhaus, der Komischen Oper, dem Berliner Ensemble und sogar der Volksbühne regelmäßig ausverkauft.

Schwierig werde es,

„… wenn die Bühnen sich mit dem gängigen Diskursvokabular aus den Seminarräumen der cultural studies gegen die uneingeweihten Normalos aus der lästigen Außenwelt abschotten. Hier wird dann der Sprachstil zum Distinktionsspiel. Botschaft: Wir wollen unter uns bleiben. Wenn es ganz unangenehm kommt, darf das Publikum auch noch weltanschauliche Belehrungsgewitter über sich ergehen lassen. Die Radical-Chic-Phrasen und Identity-Politics-Textbausteine funktionieren als Signalreize, die vor allem die Zugehörigkeit zu den Hipster-Abteilungen des Bühnenbetriebs demonstrieren. Wer nicht dazugehört, reagiert eher mit genervtem Achselzucken auf die Insiderei.“

René Pollesch begründe sogar seine wenigen Vorstellungen an der Volksbühne unter anderem damit, dass die Schauspieler vormittags nicht probieren könnten, sondern ausschlafen müssten. Barbara Mundel, Intendantin der Münchner Kammerspiele, reagiere mittlerweile ungeduldig auf Fragen nach dem Publikum und habe wohl der Münchner Abendzeitung gesagt:

 „Manchmal beschäftigen mich doch tatsächlich auch andere Fragen.“

Der Erfolg des Berliner Ensembles mit Matthias Brandt in Max Frischs „Mein Name sei Gantenbein“ finde sie verdächtig eskapistisch:

„Bekannte Namen, und dann geht die Post ab – ich finde, das ist eigentlich auch nicht unser ganzer Auftrag. Das ist doch nicht das, wofür wir Subventionen bekommen!“

Laudenbach konstatiert zum Schluss, dass Theater für die ganze Stadt da sei und nicht für eine gehobene Elite und ganz sicher nicht für die „Gesinnungsgenossen der Künstler“.

Quelle: Ein Stück aus dem Tollhaus. Süddeutsche Zeitung, 11.10.2022


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