
… in der ersten Reihe, am Rand oder auf dem Balkon?
Im Kino sitzt man am besten in der letzten Reihe, in der Oper in der ersten. Oder? Manche Zuschauer wollen im Theater, der Oper oder im Konzert immer in der ersten Reihe sitzen, weil dort die Plätze am teuersten sind – und annehmen, dass diese Plätze auch die besten sind.
Kritiker, die von der Premiere berichten sollen, setzen die Verantwortlichen in den Theatern jedoch nicht in die erste, sondern je nach Größe des Zuschauerraums eher in die sechste oder siebte Reihe. Einige Vertreter dieser Zunft bevorzugen allerdings Randplätze, damit sie jederzeit schnell flüchten können, ohne dabei jemanden aufscheuchen zu müssen.
Wie findet man nun heraus, welches der beste Platz ist?
Das ist nicht leicht zu sagen. Für einige große Opernhäuser gibt das Büchlein „Einsteins Violine“ Hilfestellung. So gilt die Loge #18 in der Mailänder Scala als hervorragend, im Opernhaus Zürich die Reihe 16 im Parkett mit den Plätzen 6 und 7, in der Bayrischen Staatsoper dagegen wird der Balkon, Reihe eins mit den Plätzen eins und drei empfohlen. In Sonderfällen kann es auch Überraschungen geben: man hat die Reihe eins gebucht, sitzt aber nicht in der ersten Reihe. Das passiert, wenn der Orchestergraben nicht benötigt und überbaut wird. Da hat die Reihe eins auch schon mal die Reihen A – F vor sich …
Wer richtig hineingesogen werden will in die Handlung eines Theaterstücks, ist sicher in den vorderen Reihen gut aufgehoben, wer ein großes und komplexes Bühnenbild in seiner Gänze aus der Perspektive des Architekten sehen will, wird auf dem Balkon glücklicher. Wer in der Oper Übertitel mitlesen will, muss aufpassen, nicht unter dem Balkon zu sitzen – dort sind Übertitel oft nicht mehr zu sehen. In der ersten Reihe in der Oper möchte man keine Übertitel lesen, da sollte man textfest sein – sonst wird man nach einer mehrstündigen Opernaufführung an Genickstarre leiden.
RIECHEN, HÖREN ODER SEHEN?
Auch olfaktorische Aspekte sind nicht zu vernachlässigen – in der ersten Reihe bei Tanzveranstaltungen riecht man gelegentlich die Anstrengungen der Tänzer. Und in Comedy-Shows oder im Zirkus (nicht wirklich unser Thema hier) kann man als Zuschauer in den vorderen Reihen auch schon mal auf der Bühne landen – als Mitspieler.
Im Konzert liegt die Sache wieder anders: als Musikliebhaber möchte man einen perfekten Höreindruck, man möchte das Orchester sehen, den Dirigenten und am liebsten noch die Solistin – und von dieser die Hände, wenn es sich um eine Pianistin handelt. Wenn die Zuschauerränge nicht ansteigen, was in Konzertsälen wie der Glocke in Bremen der Fall ist, sind in einem solchen Fall wahrscheinlich die Reihen fünf bis sieben etwas links von der Mitte vorzuziehen – ob sie noch verfügbar sind, ist natürlich eine andere Frage. In Konzertsälen wie der Philharmonie Berlin, dem Gewandhaus oder der neuen Elbphilharmonie in Hamburg mit ihrer Weinberg-Architektur – das Orchester spielt in der Mitte, die Zuschauer sitzen rund herum – hat man sogar die Chance, bei entsprechender Platzwahl den Dirigenten von vorne bei der Arbeit zu betrachten – muss aber in Kauf nehmen, auf die Rücken der Musiker zu schauen und muss möglicherweise Abstriche beim Ton machen.
Für die Großgewachsenen unter den Zuschauern kann auch die Beinfreiheit ein wichtiges Thema sein. Da hilft es manchmal, am Mittelgang oder am Rand zu sitzen, damit man gelegentlich die Beine zur Seite ausstrecken kann. Legendär sind die Sitze im Festspielhaus in Bayreuth – wer Wagner sehen will, muss leiden – oder sich sein eigenes Sitzkissen mitbringen, die Sitze sind nämlich nicht gepolstert.
Die meisten Veranstalter bieten übrigens bei der Buchung zwei Möglichkeiten an: die Sitzplatzsuche im Saalplan, bei der es gut ist, wenn man den Zuschauerraum aus früheren Besuchen schon kennt, oder die Bestplatzsuche, bei der der Computer den besten noch verfügbaren Platz anbietet. Der Computer weiß, welches der nächste beste Platz ist, weil der Veranstalter das bei der Programmierung des Saalplans nach bestem Wissen und Gewissen festlegt, Platz für Platz – und der Computer arbeitet diese Liste bei Anfragen ab. Manche Veranstalter bieten auch eine Sitzplatzvorschau von jedem Platz aus an – hier hat ein Fotograf von jedem Platz aus ein Foto von der Bühne gemacht. Bei der Buchung kann diese Sicht dann angezeigt werden (z. B. im Konzerthaus Berlin und der Scala in Mailand). Für Opern- oder Theateraufführungen sind diese Sitzplatzvorschauen nicht immer ausreichend, da die Sicht von einem Platz auch je nach Bühnenbild sehr unterschiedlich sein kann.
AN DER FRISCHEN LUFT
Bei Open-Air-Vorstellungen im Rahmen von Festspielen sitzt man oft im Freien – hier kann es je nach Wetterlage angebracht sein, Kissen und Regenbekleidung mitzunehmen. Schirme sind in der Regel nicht erwünscht – die verhindern den Blick auf die Bühne für die weiter hinten Sitzenden. Manche Open-Air-Bühnen bieten Teilüberdachungen, möglicherweise gegen einen Aufpreis – das hilft nicht nur gegen Regen, sondern auch gegen starken Sonnenschein. Die Bregenzer Festspiele gehen bei Dauerregen einen anderen Weg: ein Teil der Zuschauer kann bei Regen ins Festspielhaus wechseln, wo die Aufführung konzertant (ohne Bühnenbild) gegeben wird – die anderen gehen nach Hause …
ENTSCHEIDUNGSHILFEN
Der Preis eines Tickets kann ein Indikator für die Güte des Platzes sein, muss es aber nicht. Meistens stellen die Veranstalter Saalpläne mit vielen bunten Kästchen bereit – je Preis eine Farbe. Daran kann man sich orientieren. Oder Sie buchen Ihre Tickets telefonisch oder persönlich an der Kasse – die Mitarbeiter der Veranstalter werden Ihnen sicher gerne Auskunft zur Qualität der gewünschten Plätze geben.
Zu guter Letzt: Für kleinere Veranstaltungsorte gibt es häufig Einheitspreise mit und ohne Platzwahl. Bei Letzterem hilft nur eins: beim Einlass ganz vorne stehen – dann hat man die freie Wahl für den besten Platz.
Die Entscheidung, wohin Sie als Zuschauer sich in der geplanten Aufführung setzen, kann Ihnen niemand abnehmen – je früher Sie allerdings buchen, desto größer ist die Auswahl.
[Erstmals 2017 veröffentlicht im Eventim Klassikportal]
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