
Foto: Rainer Glaap
Das Institut für kulturelle Teilhabeforschung IKTF in Berlin hat gestern in seiner „kurz&knapp“-Reihe die Frage gestellt: Quo Vadis, Publikum?
Thomas Renz vom Institut hat die aktuellen Forschungsergebnisse zusammengestellt. Das IKTF ist imho das derzeit einzige Institut, das kontinuierlich belastbare Zahlen zur (Nicht)Besucherforschung erhebt. Der Bericht enthielt dann auch eine Befragung aus insgesamt 56.000 Interviews vom Beginn der Pandemie bis August 2022.
Hier die zentralen Ergebnisse von der Website des Instituts:
- Der Anteil der Altersgruppen über 60 Jahre ist 2020/2021 im Kulturpublikum stark gesunken, hat sich 2022 aber wieder erholt. Allerdings wurden die grundsätzlichen Probleme eines tendenziell veralteten Publikums durch die Krise noch verschärft.
- Lokale Besucherinnen kompensierten nicht das Wegbleiben von Tourist innen. Insbesondere für Kultureinrichtungen mit traditionell hohem Anteil von Gästen aus dem Ausland stellt deren Wegfall auch aktuell noch eine ökonomische Herausforderung dar.
- Kultureinrichtungen, welche nur ein homogenes und nicht diverses Stammpublikum ansprechen, können dessen Webbleiben kurzfristig nicht einfach kompensieren.
- Die Pandemie hat die soziale Ungleichheit im Kulturpublikum verschärft. Diejenigen gesellschaftlichen Gruppen, welche bereits vor der Krise Kultureinrichtungen selten besucht haben, sind in COVID-19-Zeiten noch stärker weggeblieben. Diese Entwicklung hat sich 2022 noch nicht erholt.
- Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen der Kultureinrichtungen wurden vom Publikum begrüßt und sehr positiv beurteilt.
- Digitale Angebote der Kultureinrichtungen ersetzen zumindest auf Seiten des bestehenden Publikums keine Präsenzveranstaltungen.
Die Ergebnisse wurden dann unter Moderation von Vera Allmanritter, der Leiterin des IKTF, mit einem Panel diskutiert. Teilnehmer war u.a. Dr. Klaus Lederer, Senator für Kultur in Berlin, der das IKTF finanziert.
Ein Teil des Publikums ist möglicherweise dauerhaft weggebrochen. Ob und wie neues Publikum gewonnen werden kann, wird seit Jahrzehnten diskutiert (insofern ist die Pandemie ein Brandbeschleuniger für vorhandene Probleme). Wichtig erschien allen Teilnehmer:innen im Licht der Erkenntnis, dass wir ein Generationenproblem haben (s.o.), die kulturelle Bildung für Kinder auszubauen. Das erfordere viele Vermittlungsanstrengungen.
Ein interessantes Bild brachte Bernward Tuchmann ein, Geschäftsführer der Inthega (Interessengemeinschaft der Theater mit Gastspielen). Ein niederländischer Gast hat ihm seinen Eindruck von deutschen Theatern so geschildert:

Mein Beitrag zur Diskussion bezog sich wie so oft, auf die Themen Repräsentation (auf, vor und hinter der Bühne) und Relevanz. Und auf den Elefanten im Raum (Danke ans KM fürs Posten):
Quelle: Die Pandemie als Brandbeschleuniger. kurz&knapp-Bericht #3. Dort findet sich auch ein Link zum Download der Kurzpräsentation.
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Der NDR hat über diese Veranstaltung berichtet und bemängelt, dass aus der Politik zu wenig bzw. keine Lösungsvorschläge kamen: https://www.ndr.de/kultur/buehne/Publikumsschwund-Wo-sind-die-Gaeste-in-Konzerten-und-Theatern,publikumsschwund102.html.