In meinem Blogbeitrag über die Besuchszahlen im Kinder- und Jugendtheater „Kinder- und Jugendtheater: Zahlen der Theaterstatistik wohl weniger belastbar als gedacht“ berichte ich ausführlich über die Schwierigkeit, valide Zahlen für diesen Bereich zu ermitteln.
Der Hintergrund dazu ist meine Untersuchung zur „Metropolregion Nord-West: Theaterstatistik„. Bei der Spartendarstellung beim Theater Bremen war aufgefallen, dass sich die Kinder- und Jugendtheater-Zahlen auffällig verschoben hatten. Meine Vermutung war (bisher nicht vom Theater bestätigt), dass das Familienstück (früher: Weihnachtsmärchen) ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zur Sparte Kinder- und Jugendtheater gerechnet wurde, sondern zur Sparte Schauspiel (die in Bremen das Familienstück produziert, nicht die Kinder- und Jugendtheatersparte MOKS). Über das Forum Controlling am Lehrstuhl für Kulturmanagement in Ludwigsburg konnte ich die am Forum beteiligten Theater fragen, wo sie ihre Familienstücke einordnen. Der Rücklauf war eher niedrig, aber die einen ordneten die Zahlen selbstverständlich beim Kinder- und Jugendtheater ein, die anderen beim Schauspiel, was meine These der unterschiedlichen Zuordnung bestätigte.
Die Besuchszahlen in den Sparten Schauspiel und Kinder- und Jugendtheater sind also nicht sehr belastbar. In der Theaterstatistik werden sie auch erst offiziell seit 1972/73 getrennt dargestellt, vielleicht sollte man zu dieser Darstellung zurückkehren.
Es gibt aber eine weitere Möglichkeit, sich dem Thema Besuche im Kinder- und Jugendtheater zu nähern.
In den Summentabellen der Theaterstatistik werden neben den absoluten Besuchszahlen für die Sparten auch die prozentualen Anteile der Besuchsgruppen erfasst: Tageskarten, Abonnements, Besucherorgansationen, Gebühren- und Steuerkarten und eben auch Karten für Schüler:innen, Studierende etc.

Diese Daten habe ich in meinem Buch „Publikumsschwund?“ in einer eigenen Grafik zusammengefasst, in der auch die Schülerkarten dargestellt werden (die besorgniserregende Entwicklung der obersten Zahlenreihe zu den „Dienst-, Steuer- Ehren-, Freikarten habe ich in diesem Beitrag dargestellt):

Die Konzentration auf die Schülerkarten alleine im Vergleich mit den Gesamtzahlen macht deutlich, dass die Besuche von Schüler:innen erheblich zugenommen haben. Ergänzend zu den Zahlen bis 2018/19 in meinem Buch habe ich hier noch die Zahlen für 2021/22 und 2022/23 (aktuell verfügbare Zahlen des Deutschen Bühnenvereins) dargestellt:

Lagen die Schülerkarten bis ca. 1980/81 bei um die 10%, ist der Anteil um fast 50% gestiegen bis ca. 1995/96 (ohne Zweifel auch ein Effekt der Wiedervereinigung). 2022/23 ist eine weitere Steigerung auf 18,3 Prozent zu sehen. Die Balken zeigen die Besuchszahlen in Orange (alle ohne Schülerkarten) und Blau (Schülerkarten). Die rote Linie zeigt die Anzahl der Schülerkarten in % an den Gesamtbesuchen und zeigt deutlich die Steigerung (der Einbruch auf 16,4% 2021/22 ist pandemiebedingt). Beide Zahlen für 2021/22 und 2022/23 sind in der Abbildung aus der Theaterstatistik am unteren Rand rot markiert.
Einen weiteren Einblick in die Bedeutung des Kinder- und Jugendtheaters zeigt die Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins für 2023/24. Die Zahlen sind nicht direkt vergleichbar mit der Theaterstatistik (warum, erläutere ich hier).

In der Spielzeit 2023/24 stellen die Aufführungen der Produktionen des Kinder- und Jugendtheaters 28%, bei den Besuchen 20%. Die Familienstücke scheinen hier auch trennschärfer dem Kinder- und Jugendtheater zugeordnet zu sein.
Anhang: So sehen die Zahlen der Theaterstatistik aus
Für die Berechnung der absoluten Zahlen wurden die Prozentzahlen (s.o.) für eine Umrechnung in absolute Zahlen genutzt. Die hellrosa gekennzeichneten Spalten enthalten div. Berechnungen (z.B. Gesamtzahl – Schülerzahl).

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