Vor einigen Jahren gab es den Versuch, eine Metropolregion Nord-West für die Kultur zu etablieren, z.B. mit einem gemeinsamen Theaterkalender für Bremen, Bremerhaven und Oldenburg.
Die Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven gehört eigentlich auch zur Metropolregion. Sie passt als Landestheater mit Gastspielen nicht ganz in diese Betrachtung, da sich die Besuchszahlen mehrheitlich aus Gastspielen rekrutieren, da überwiegend nicht am eigenen Standort gespielt wird, anders als in Bremen, Bremerhaven und Oldenburg, wo die Besuchszahlen am eigenen Ort für die Auswertungen genutzt werden.
Den gemeinsamen Spielplan der Metropolregion scheint es nicht mehr zu geben, trotzdem ist es natürlich interessant zu vergleichen, wie die Theater der o.a. Städte sich im Jahresvergleich schlagen.
Zum Theater Bremen hatte ich schon mehrfach geschrieben. Hier noch einmal die bereits publizierte Grafik mit den ergänzten Zahlen der Theaterstatistik 2022/23 (im März 2025 erschienen). Diesmal ohne die Pandemiejahre, die im historischen Zusammenhang keine Rolle spielen (werden). Für Bremen hatte ich die Daten detailierter erfasst und mit den Intendanzen Klaus Pierwoß, Hans-Joachim Frey, Interims-Direktorium u. Michael Börgerding ergänzt.

Um die Zahlen mit der allgemeinen Theaterstatistik und dem Vergleichszeitraum in meinem Buch „Publikumsschwund?“ und den zuletzt publizierten Zahlen für Österreich und die Schweiz vergleichbar zu machen, wird hier Bremen wie die anderen Häuser dargestellt: mit den frühesten Einzeldarstellungen aus der Theaterstatistik, in Deutschland ab der Spielzeit 1966/67.
Da auf der Pressekonferenz (Paywall) von Theater Bremen zur Vorstellung der neuen Spielzeit 2025/26 auch die Besuchszahlen für 2023/24 gemeldet wurden, sind diese hier inkludiert. Spartenzahlen wurden nicht veröffentlicht, daher kann hier nur die Gesamtzahl gezeigt werden.

Wenn man die Zahlen nur auf die Veränderungen gegenüber 1966/67 anschaut (fast schon der Höhepunkt der Besuchszahlen in der BRD, danach ging es deutlich bergab), sieht man eine ständige Abnahme der Besuche. 2010/11 waren die Zahlen auf einem Tiefststand, danach setzte eine Erholung ein mit der Ära Börgerding und einer Stabilisierung der Zahlen bis heute. 2023/24 entsprechen die Zahlen wieder den vorpandemischen Zahlen in 2018/19.
Wie trennscharf die Sparten in der Statistik erfasst sind, ist unklar. Ich erinnere mich z.B. an eine Inszenierung 2015/16 der Operette „Im weißen Rössl“, die nicht als Operette in den Zahlen für 2015/16 ausgewiesen wird (2015/16 wird in diesen Auswertungen nicht dargestellt).

Auffällig sind die Verschiebungen in den Sparten Schauspiel und Kinder- und Jugendtheater ab 2018/19. Wenn allerdings die Besuche nach Tageskarten, Abos, Schülerkarten etc. getrennt dargestellt werden, ist ersichtlich, dass die verkauften Schülerkarten sich fast verdoppelt haben, auch wenn die Zahlen für das Kinder- und Jugendtheater nach dramatischem Einbruch aussehen. Die Erklärung scheint aber einfach: Vermutlich wurden die Karten für das Familienstück (früher: Weihnachtsmärchen) der Sparte Schauspiel zugeschlagen.
Die folgende Grafik stellt die Verkäufe über die verschiedenen Kartenarten seit 2005/06 dar, rot zeigt den Verlauf der Schülerkarten an, die 2022/23 schon auf 26,2% gestiegen sind. Das Familienstück findet immerhin hier seinen Niederschlag.

Bleibt zu hoffen, dass diese Verschiebungen nicht überall vorgenommen wurden und werden, das erschwert den Blick auf die Spartenentwicklung doch nachhaltig.
Bliebe als Ausweg nur, die Sparten Schauspiel und Kinder- und Jugendtheater wieder zusammenzulegen für Auswertungen, so, wie es der Bühnenverein bis 1972 gehalten hat.
Staatstheater Oldenburg
Das Staatstheater Oldenburg liegt in Niedersachsen, ca. 35 km von Bremen entfernt. Mit dem Auto und dem ÖPNV i.d.R. gut erreichbar. Oldenburg hatte 2023 ca. 176.000 Einwohner.
Die Veränderung bei der Gesamtzahl der Besuche zeigt die Grafik. In den Balken ist jeweils die prozentuelle Veränderung zur Vorperiode erkennbar. Die erste vollständig nach-pandemische Spielzeit 2022/23 liegt in Oldenburg immer noch 17% unter der letzten vollständigen vor-pandemischen Spielzeit.

Die Entwicklung der einzelnen Sparten in absoluten Zahlen ist in der folgenden Grafik erkennbar. Wichtig zu wissen: 1972 wurden Schauspiel (violett) und Kinder- und Jugendtheater (hellgrün) in der Theaterstatistik in zwei Sparten getrennt, das ist hier 1980/81 erstmals sichtbar. Auch Operette und Musical waren früher eine Sparte (dunkelgrün), in 1980/81 werden diese erstmals getrennt dargestellt (Musical blau). Die Sparte „Sonstige“ kam in den 80ern hinzu, sie wird hier braun dargestellt. Wo die Anteile zu klein sind, wurden die Zahlen weggelassen.

Die Verluste des Musiktheater werden gesondert dargestellt. Leerstellen bei den Balken weisen auf ein fehlendes Angebot hin. So wurden 2010/11 weder Operette noch Musical angeboten.

Wenn man die Spielzeit 1970/71 als Maßstab nimmt, dann hat das Oldenburger Staatstheater bis 2018/19 17,1% der Besuche verloren. Die 31,2% von 2022/23 sind daher teilweise noch der Pandemie zuzurechnen.

Stadttheater Bremerhaven
Bremerhaven und Bremen bilden gemeinsam das Land Bremen. Entgegen manchen Darstellungen im Bremer Tatort liegen die beiden Städte ca. 60 km auseinander, Oldenburg liegt also für den Bremer geographisch näher. Bremerhaven als Hafen für Bremen hat in den letzten Jahren durch die Abwanderung von Industrie sowohl Einwohner als auch Steuereinnahmen verloren. Die Einwohnerzahl beträgt ca. 118.000.
Die Besuchszahlen:

Die Entwicklung der Sparten sieht aus wie folgt (man beachte die Zahlen für die Besuche von Operetten, Bremerhaven war jahrelang bekannt für seine Operetten, selbst aus Bremen gab es wohl Busreisen nach Bremerhaven zur „leichten Muse“):

Die Besuchszahlen für das Musiktheater in Bremerhaven haben also (wie andernorts) stark abgenommen (Zahlen in Tsd. Besuche, die prozentuale Entwicklung folgt in der nächsten Grafik):

Die Zahlen im Musiktheater haben sich so entwickelt:

Bis auf einen kleinen Ausreißer nach oben von 1,2% in 1980/81 (die Entwicklung zwischen 1972/73 u. 1979/80 wurde für diese Auswertung nicht untersucht).
Zusammenfassung
Die beiden folgenden Grafiken zeigen die Entwicklung in den drei Städten Bremen, Bremerhaven und Oldenburg nebeneinander, einmal als Entwicklung in absoluten Zahlen (in Tsd.) und danach in der prozentualen Entwicklung seit den ersten detaillierten Darstellungen in der Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins 1966/67).

in absoluten Zahlen und in der prozentualen Abweichung von 1966/67.
Die Entwicklung der absoluten Besuchszahlen:

Die Entwicklung der Besuchszahlen in der prozentualen Abweichung von 1966/67:

Jetzt kann man diskutieren, ob 1966/67 die richtige Bezugsgröße für die Besuchsentwicklung darstellt. Daher wird noch ein Perspeketivwechsel nachgeliefert: Der Blick zurück auf 1990/91, die Spielzeit der Wiedervereinigung und eines Neuanfangs.

Bremen steigert sich unter Klaus Pierwoß noch zwei Perioden (hier im 5-Jahres-Abstand), um dann unter Hans-Joachim Frey massiv zu verlieren. Oldenburg bleibt vergleichsweise sinkt um ca. 20% um sich dann einigermaßen stabil zu verhalten, während Bremerhaven ein Viertel der Besuche verliert und dann bis 2022/23 fast die Hälfte.
In meinem Buch habe ich die Trends aus den Summentabellen dargestellt, hier nun in Ergänzung einzelne Entwicklungen in Norddeutschland. Bremerhaven und Bremen liegen im Vergleich im Trend mit der Entwicklung der Besuchszahlen in Deutschland, Oldenburg hat einen deutlich geringeren Publikumsschwund aufzuweisen.
Die Gründe dafür sind sicher vielfältig und können aus der Statistik so nicht abgeleitet werden.
Klar ist, dass der Siegeszugs der Fernsehens mit seiner rapiden Verbreitung seit Anfang der 60er Jahre massiv für Einbrüche sowohl in den Theatern als auch in den Kinosälen gesorgt hat. (s. dazu die Angaben in meinem Buch „Publikumsschwund?“.
Dazu kommen möglicherweise die künstlerischen Handschriften der einzelnen Intendanten, wie man auch in Bremen an den Zahlen ablesen kann. Hans-Joachim Frey konnte nie an die Besuchszahlen von Klaus Pierwoß anknüpfen. Das gescheiterte en-Suite (im Musicaltheater Bremen) gespielte Musical „Marie Antoinette“ führte zu seiner Demission. Michael Börgerding verbesserte die Zahlen schon in seiner ersten Spielzeit um 15,7%, um dann das Niveau überwiegend zu halten zwischen 170 und 180 Tsd. Besuchen.
Quellen:
Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins (erscheint jährlich, zuletzt im März 2025 für die Spielzeit 2022/23
Glaap, Rainer: Publikumsschwund? Ein Blick auf die Theaterstatistik seit 1949, Springer, 2024
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