Dieser Blogbeitrag erscheint zeitgleich mit einer Folge des Podcasts „Bühneneingang“ von Fabian Burstein, die sich mit der Analyse von Daten am Theater beschäftigt. Ich bedanke mich herzlich für die Einladung.
Hier geht’s direkt zum Podcast:
Die Veröffentlichung der Theaterstatistik 2022/23 durch den Deutschen Bühnenverein am 14.3.2025 (meine ersten Erkenntnisse hier) und eine Anfrage des Kulturmanagers und Podcasters Fabian Burstein (Bühneneingang) aus Österreich zu den österreichischen Daten war Anlass, einen Blick in den Anhang der Theaterstatistik zu werfen. Dort werden seit 1969/70 in Kurzform Daten für Österreich und die Schweiz aufgelistet.
Für Österreich werden die Theater in diesen Städten ausgewertet:
- Baden
- Bregenz
- Graz
- Innsbruck
- Klagenfurt
- Linz
- Salzburg
- St. Pölten
- Wien
Zu den verfügbaren Daten schreibt der Bühnenverein in seinem Vorwort zum Kapitel über Österreich 2018/19:
Die nachfolgenden statistischen Daten und Berechnungen wurden aus den Mitteilungen zusammengestellt, die die österreichischen Theaterverbände, der Wiener Bühnenverein und der Theatererhalterverband österreichischer Bundesländer und Städte, über ihre Theater für die vorliegende Veröffentlichung zur Verfügung gestellt haben, wofür ihnen an dieser Stelle gedankt sei.
Wie vollständig die Daten sind, kann ich nicht abschließend beurteilen. Schon meinem Buch hatte ich das Motto „cum grano salis“ mitgegeben. Das gilt sicher auch für die Daten der österreichischen Theater.
Auf den ersten Blick fällt aber auf, dass die Bregenzer Festspiele nicht in der Statistik enthalten sind – so, wie auch in Deutschland die Festivals eine eigene Abteilung der Theaterstatistik darstellen und in den Summentabellen der öffentlichen Theater nicht vorkommen (einer der Kritikpunkte, die ich bereits in meinem Buch „Publikumsschwund? Ein Blick in die Theaterstatistik seit 1949“ vorgebracht habe).
Die Daten liegen in unterschiedlicher Granularität vor, das Linzer Landestheater liefert beispielsweise für einige Spielzeiten nur eine Gesamtzahl und fächert die Daten nicht nach Genres auf, was eine Untersuchung über die Entwicklung der einzelnen Genres in Linz nicht ermöglicht.
Da die Theaterstatistik davon abhängt, dass Zahlen von den Theatern geliefert werden, sind jedes Jahr mehr oder weniger Meldungen vorhanden, für 2022/23 (also die aktuelle Ausgabe) fehlen die Zahlen für bedeutendste Sprechtheater in Österreich: das Burgtheater. Diese Zahlen konnten aber durch die Angaben in den Geschäftsberichten der Bundestheater-Holding (s. u.) ergänzt werden.
Der Übersichtlichkeit halber startet meine Übersicht mit 1970/71 und setzt sich dann im 10-Jahres-Rhytmus fort mit Ausnahme der letzten beiden Balken: als Vergleichszahl die Spielzeit 2018/19 (*) als letzte vollständige vorpandemische Spielzeit, dann die Besuchszahlen für 2022/23.
Im Unterschied zur deutschen Theaterstatistik zeigt die österreichische ausschließlich Bezahlkarten. In Deutschland ist der Anteil der Steuer-, Gebühren-, Presse- und Freikarten mittlerweile auf 17% am Gesamtvolumen gestiegen, weshalb ein Vergleich interessant gewesen wäre. Ob in den österreichischen Daten kostengünstige Steuerkarten, die ja bezahlt werden müssen, vorkommen, lässt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht herauslesen. Um die deutschen Zahlen auf die reinen Bezahlkarten zu reduzieren, habe ich entsprechend nachgerechnet. In einem meiner letzten Blogbeiträge habe ich das Thema Bezahlkarten vs. Vorzugs-, Gebühren-, Steuer-, Frei- sonstige rabattierte Karten ausführlich dargestellt.
Hier nun die Besuchszahlen für Österreich.

Auffällig im Vergleich zu den deutschen Besuchszahlen ist, dass die Lage sehr stabil ist, dass alle Spielzeiten mehr Besuche zeigen bezogen auf 1970/71 bis auf die nachpandemische.

Im folgenden ein Blick auf die Veränderungen von einer betrachteten Periode zur nächsten.

Während in Deutschland die Besuchszahlen im Vergleich zu 2018/19 noch 22% niedriger liegen, hat sich Österreich schon wieder auf 12% an 2018/19 (*) herangerobbt.
Die Abweichungen zeigen deutlich: In den betrachteten Jahren lag in der Gesamtbetrachtung keine Spielzeit unter der Vergleichsspielzeit 1970/71. Welche Erholung hier noch erreicht wird, wird sich leider erst in den nächsten Theaterstatistiken zeigen, die im März 2026 resp. 2027 erscheinen werden.
Es lohnt sich aber, tiefer in die Zahlen abzusteigen, denn es gab Verschiebungen bei den Besuchen.

Bei Oper und Operette gab es kaum Verschiebungen, die Besuchszahlen bei Schauspiel und Kinder- und Jugendtheater (leider nicht getrennt gemeldet) sinken um 24%. Tanz legt massiv zu (ähnlich wie in Deutschland, s. mein Buch „Publikumsschwund?) und Konzerte legen um eine Größenordnung zu, die an der Qualität der Ausgangsdaten zu dieser Sparte schließen lassen.
Analysiert man die Theater nach Spielzeiten, sind auch hier Verschiebungen deutlich erkennbar. Seit den 70er Jahren haben einige Häuser massiv an Besuchen gewonnen, so z.B. die Staatsoper, andere, wie das Volkstheater oder das Theater in der Josefstadt, haben verloren.

Zu- und Abgänge halten sich die Waage, zum Schluss bleibt ein kleines Plus von 45.661 Besuchen. Über die Jahrzehnte ergeben sich immer wieder Verschiebungen, die unter dem Strich aber wohl für Ausgleich sorgen:

Ein Blick auf die nachpandemische Lage zeigt, dass auch in Österreich alle Theater bis auf eine einzige Ausnahme unter den letzten vorpandemischen Zahlen liegen. Allerdings haben die Theater sich besser erholt als in Deutschland (s.o.).

Die gute Erholung mag auch daran liegen, dass man in Österreich im Vergleich mehr ins Theater geht als in Deutschland.
Für mein Buch hatte ich die Quote der Besuche zur Bevölkerung ermittelt. Hier die Zahlen noch einmal, diesmal ergänzt um die österreichischen Zahlen:

Fazit
In Österreich sind die Besuchszahlen über die Jahrzehnte relativ stabil. Der Einbruch durch die Pandemie ist weitgehend aufgeholt. Es hat allerdings Verschiebungen gegeben bei den einzelnen Sparten. Während das Schauspiel ein Viertel der Besuche eingebüßt hat, haben Tanz und Konzerte massiv zugelegt.
Hinweis: Alle Auswertungen beruhen auf den verschiedenen Jahrgängen der Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins. Für die Korrektheit der Angaben und für die korrekte Übertragung in meine Tabellen kann keine Garantie übernommen werden.
Quellen:
Glaap, Rainer: Publikumsschwund? Ein Blick in die Theaterstatistik seit 1949
Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins (PDF, kostenloser Download)
Geschäftsberichte der Bundestheater-Holding (PDF)
Hier noch mal der Link zum Podcast „Bühneneingang“ von Fabian Burstein: https://buehneneingang.simplecast.com/episodes/37rainerglaap
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