
Der Journalist Axel Brüggemann hatte vor einigen Tagen die Frage aufgeworfen, wann in einem Konzert geklatscht werden darf. Die alte Kontroverse: darf man zwischen den Sätzen klatschen und outet man sich als Kulturbanause, wenn man es tut? Er schrieb:
Dieser Text handelt von einem inneren Konflikt: Ist das Klatschen zwischen den Sätzen einer Symphonie okay oder nicht? Auf der einen Seite freue ich mich über jeden Menschen, der ein klassisches Konzert besucht, und ganz besonders über Leute, die ansonsten eher wenig Kontakt mit Beethoven, Bruckner oder Bach haben. Auf der anderen Seite habe ich gerade ein Konzert im Wiener Musikverein erlebt, das mir den Spaß an einem künstlerisch intensiven Abend ein wenig geraubt hat.
Der Grund: Nach jeden der vier Lieder in Richard Strauss‘ berühmten Liederzyklus setzten einige im Publikum schon mit dem Schlusston des jeweiligen Liedes zum Applaus an. Jeglicher Nachhall, jeder Gedanke, den Asmik Grigorian da in ihrer innerlich modernen Erzählung aufgebaut hatte, wurde durch den brutalen Einbruch des »Jetzt und Hier« zunichte gemacht. Ähnliches wiederholte sich dann auch im zweiten Teil des Programms, als selbst die stillen Abgründe zwischen den einzelnen Sätzen der großen C-Dur Symphonie von Franz Schubert mit Alltags-Applaus zugeschüttet wurden.
Schaut her, ich klatsche!
Nein, ich bin kein orthodoxer Klassikgänger. Und mir ist vollkommen bewusst, dass schon einige Uraufführungen von Beethoven-Symphonien zwischen den Sätzen mit Applaus bejubelt wurden, was zuweilen sogar zur Wiederholung einzelner Sätze geführt hat.
Er hatte um Rückmeldungen zu diesem Thema gebeten und ich hatte ihm die Geschichte mit den Bremer Philharmonikern geschickt, die ich in diesem Beitrag über Klassismus schon 2022 veröffentlicht hatte.
Er hat sie freundlicherweise in Gänze in seinem Newletter wiedergegeben.
Die Lösung für das Problem wäre aus meiner Sicht ganz einfach:
Ein Moderator oder der Dirigent/die Dirigentin gibt eine kurze Einführung und bittet darum, mit dem Applaus zu warten, bis er/sie ein Zeichen gibt.
Quelle: „Ey, lasst unsere Stille in Ruhe!“ – https://backstageclassical.com/ey-lasst-unsere-stille-in-ruhe/
PS: Der Titel „Wann darf ich klatschen?“ ist übrigens einem wunderbaren Buch des Geigers Daniel Hope von 2010 entnommen, der in diesem Buch Freunden die Freuden des klassischen Konzerts erklärt (kein Knigge!). Erschienen bei Rowohlt und als TB erhältlich.
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