
Der Berliner Tagesspiegel berichtete vor einigen Tagen, wie vielfältig die Konzertangebote in Berlin mittlerweile sind und welche Alternativen bestehen, wenn man die üblichen Konzertformate mit Solo-Künstler, 20. Jahrhundert und Beethoven/Brahms/Haydn zum Schluss mal nicht mehr hören und sehen will.
Dass der Streit zwischen Traditionalisten und Revoluzzern um einen New Deal in der Klassik sich eigentlich erübrigt, zeigt ein Blick in den Berliner Musikkalender. Da gibt es in Sachen Publikumsnähe so gut wie nichts, was es nicht gibt. Das DSO setzt neben den Casual Concerts und den Notturno-Konzerten seine Kabarettreihe im Schlossparktheater fort, mit dem schönen, grammatisch leicht knirschenden Wortspiel-Titel „Die Kunst der Unfuge“. Im Konzerthaus unternimmt Joana Mallwitz weiter ihre Expeditionskonzerte, junge Musiker:innen spielen nachmittags zum Espresso, und im November können Klassikfans wieder „Mittendrin“ sitzen, mitten im Orchester, während es Mozart spielt.
Viele Rezepte sind gar nicht neu, begeistern aber immer wieder. Auch in Bremen gibt es mit den 5nach6 Konzerten (früher: Aktentaschenkonzerte) ein stetig wachsendes Publikum, so manche Abonnenten sind schon vom Montagsabo dorthin gewechselt: die Konzerte beginnen früher und sind kürzer, was dem überwiegend älteren Publikum entgegenkommt.
Der Tagesspiegel bemerkt weiter:
Fast wundert man sich deshalb darüber, dass die Berliner Philharmoniker erst jetzt abendliche Kurzkonzerte einführen, wie sie im Konzerthaus bereits existieren. „Ausklang“ heißt das Format, das an diesem Freitag um 19 Uhr erstmals zu erleben ist. Eine Stunde Busonis Klavierkonzert mit Männerchor, danach geht’s ins Foyer, zu einer Prise Kammermusik samt Get-together mit den Musikern. Ein Getränk ist im Ticket inbegriffen.
Kunden etwas Gratis anzubieten um die Stimmung zu heben, ist ein altbekanntes Mittel im Marketing. Selbst bei Fahrten in der Deutschen Bahn hebt sich die Stimmung, wenn die Zugbegleiter:innen ein Stück Gratis-Schokolade verteilen. Gratisgetränke sind nicht neu, die Deutsche Kammerphilharmonie bietet ihren Fördermitgliedern ein Glas Sekt in der Pause, wenn man sein Mitgliedsabzeichen trägt. Und das Mainer Staatstheater bietet überhaupt alles Gratis (bei moderat erhöhten Eintrittspreisen): Garderobe, Programmheft, Getränke & Snacks. Nicht nur freuen sich die Besucher:innen über diese Goodies, auch entspannt sich die Pause merklich, weil das Anstehen am Buffet entfällt. Nur die Toilettenfrage muss in vielen alt-ehrwürdigen Häusern noch geklärt werden: die Schlangen an den Damentoiletten sprechen von wenig Entspannung in der Pause… Informationen dazu sind auf der Website des Staatstheaters nicht leicht zu finden, im Spielzeitheft steht dann doch:
Das Konzept Kombiticket hat sich bewährt. Im Kartenpreis für alle Abonnement- und Abendvorstellungen im Großen und Kleinen Haus sind inzwischen Getränke, Brezel mit Spundekäs, Garderobengebühr und Programmheft inkludiert. Eine entspanntere Atmosphäre, keine Wartezeiten, mehr Möglichkeiten zum Gespräch – all das spiegeln uns Gäste:
„Das neue Konzept mit Getränken inklusive ist super! Keine Schlangen an der Theke und kein Bangen, ob man sein Getränk noch rechtzeitig schafft, bevor es wieder weitergeht.“
„Freundlicher Empfang, reibungslose Abläufe an Garderobe und Gastronomie und nicht zuletzt wunderbare Vorstellungen.“ (Quelle: Spielzeitheft)
Mein persönlicher Favorit übrigens für besondere Konzerterlebnisse wird im Tagesspiegel nicht erwähnt: das Berliner Radialsystem, das oft mit spannenden Konzepten arbeitet.
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/neue-wege-im-konzertbetrieb-kurz-und-gut-12544262.html
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