
In der Monatsausgabe der „Herder Korrespondenz“ hat sich Hilde Naurath mein Buch vorgenommen und erweitert die Parallelen zum Kirchenbesuch, die ich in meinem Kapitel „Paralipomena“ aufzeige – viele Gruppierungen leiden unter „Publikumsschwund“, nicht nur die Theater. Möglicherweise ein Phänomen der verloren gehenden Bindungen. Früher traf man sich selbstverständlich beim Gottesdienst in der Kirche und/oder im Theater. Heute beides keine Selbstverständlichkeit mehr.
Ihr Fazit mit einem Ausblick, was getan werden kann, um dem Publikumsschwund Einhalt zu gebieten: mehr Bindung, weniger Schranken, Abwehr, Einigelung und Hermeneutik:
Und schließlich kennt Glaap noch die rein subjektive Erkenntnis eines Intendanten alten Schlags, der sein echtes Publikum zu ausverkauften Theaterzeiten beobachtete: Ganze fünf Prozent der Besucher kämen wegen des Stücks, die anderen 95 Prozent dagegen „aus Grenznutzenerwägungen“, etwa um zu sehen und gesehen zu werden. Im Umkehrschluss: Vielleicht sind heute im Theater nicht mehr alle da, weil nicht mehr alle da sind.
Was also tun, um mehr als die fünf Prozent Überzeugten zu erreichen? Nicht nur Glaaps Fazit: die Angebotsvielfalt und die Rahmenbedingungen mehrheitsfähiger gestalten. Das Theater müsse das Festungsartige aufgeben, die Schranken für Neulinge seien zu hoch, Cafés und Rahmenprogramme empfehlenswert. Die Programme dürften sich nicht auf eine kleine homogene Zielgruppe zuspitzen, nicht auf eine Alters- oder Bildungsgruppe. Und schließlich sei auch das Publikum selbst Teil des Kulturerlebnisses, sowohl in Bezug auf das, was es erwartet, als auch in Bezug auf das, was es vorgeführt bekommt. Beispielsweise würden altbewährte Besucher, die Neulinge mit Zischen am Klatschen hindern, nicht zum Wohlbefinden Letzterer beitragen. Parallelen ziehen erwünscht.
Quelle (ich danke dem Herder Verlag für die Freischaltung des Beitrags):
https://www.herder.de/hk/hefte/archiv/2024/10-2024/das-phaenomen-publikum/
Entdecke mehr von Publikumsschwund
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.