Eva Marburg empfiehlt im Freitag, das Theater und Publikum gemeinsam eine Paartherapie machen sollten, um wieder zueinander zu finden:
„Fast, hat man den Eindruck, ist das Theater beleidigt, dass diese ganze Anstrengung so gar nicht gewürdigt wird, dass das Publikum nicht sagt: „Ach, wenn das so ist, komme ich natürlich sofort zu dir zurück!“ Außerdem fühlt es sich so an, als werde dem Publikum ein bisschen die Schuld an der Beziehungskrise zugeschoben. Ein wenig rückständig erscheine es, vor allem „in der Fläche“. Vielleicht sei es ihm dann doch alles zu viel, das viele Neue?, fragt das Theater.
Und jetzt antwortet das Publikum vielleicht: „Mir macht es gar nichts aus, dass du jetzt diversere Facetten an dir entdeckst, ganz im Gegenteil, das machst du sowieso schon sehr lange. Dass du gesünder leben willst und dir Gedanken über deine Sprache machst. Ich hätte einfach nur wieder Lust, mit dir abends um die Ecken zu ziehen, von mir aus besoffen, nackt in den Fluss zu springen und dann tollen Sex zu haben. Klischee, ich weiß, ist mir aber egal, denn das ist der Grund, warum ich mich in dich verliebt habe, doch nun langweile ich mich schon lange zu Tode mit dir.“
Spekulationen, aber so könnte es zugehen, wenn man Theater und Publikum zu einer Paartherapie schicken würde. Das rege ich hiermit an: Dass die beiden versuchen, sich nach der Pandemie noch mal neu zu entdecken, sich wirklich kennenzulernen und zu fragen, was wollen wir eigentlich mit- und voneinander? Sonst heißt es dann tatsächlich: „I love you but I’ve chosen Netflix.““
Quelle: Das Theater und sein Publikum: Ein Fall für die Paartherapie. Der Freitag, Ausgabe 20/2022
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