in Publikumsschwund

Long Couching – Ein Tag. Ein Thema, viele Perspektiven (Hessischer Rundfunk)

Frankfurt, Römer (historische Altstadt), Heimat des Hessischen Rundfunks.
Quelle: Dietmar Rabich / Wikimedia Commons / “Frankfurt am Main, Römer — 2015 — 6732” / CC BY-SA 4.0

Die HR-Sendung „Ein Tag. Ein Thema“ beschäftigte sich am 26.10.2022 mit dem Phänomen „Long Couching“ und untersucht in Gesprächen mit Zuschauer:innen, der Kabarettistin Stephanie Kunkel und zwei Wissenschaftlern (dem Soziologen Gunnar Otte und dem Kulturwissenschaftler und empirischen Besucherforscher Thomas Renz) und weiteren Gesprächspartner:innen, wie sich Covid auf der Besuchsverhalten während der Pandemie ausgewirkt hat und auswirkt.

In der Beschreibung zur Sendung heißt es:

Während Mega-Events wie Ed Sheeran oder groß angekündigte Ausstellungen in Museen oder Partyevents wieder gut besucht werden, bleibt bei kleineren Veranstaltern das Publikum aus. Ob Konzerte, Theater oder Kleinkunst und Kabarett – viele Plätze bleiben leer. Und damit auch die Kassen. Verarmt da langfristig auch das kulturelle Leben im Land? Längst nicht alles, was man vor Ort erleben kann, kann man sich aufs heimische Sofa holen, aber klar, das Sofa ist verlockend.

Ich beziehe mich hier auf die Aussagen der beiden Wissenschaftler.

Prof. Gunnar Otte, Professor für Sozialstrukturanalyse, forscht in Mainz und kann Besucherdaten anhand einer empirischen Untersuchung aus 2018 und 2021 vergleichen (Interview ab ca. 34:00). Über diese Studie hatte Otte im August auf Kulturmanagement.net berichtet (mein Blog-Beitrag dazu findet sich hier).

Die Studie „Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation“ gibt interessante Aufschlüsse. Z.B. konnte für 2021 kein Indiz dafür gefunden werden, dass die Infektionsangst die Menschen von der Kultur fernhielten. Durch die Lockdowns sei allerdings die Besuchshäufigkeit massiv zurückgegangen. Zu den möglichen Gründen Inflation und Energiekrise in 2022 könne er nur Vermutungen liefern, empirische Daten dazu lägen noch nicht vor. Gefragt, ob die digitalen Angebote der Theater mithalten konnten und können, stellt er fest: Fernsehen sei nach wie vor sehr erfolgreich, auch in der Kultur. Theater schlügen sich da seiner Meinung (noch) nicht so gut, es handle sich eher um punktuelle Erfolge.

Dr. Thomas Renz (ab 48:30) ist Mitarbeiter des Instituts für kulturelle Teilhabe in Berlin (s. a. diesen Blog-Beitrag) und berichtet über die empirischen Erkenntnisse aus Berlin. Bei der Frage nach der digitalen Nutzung von Kulturangeboten stellt er fest, die Angebotseuphorie der Anbieter sei deutlich höher als die Nutzungszahlen. 80% der Befragten hätten keinerlei digitale Angebote genutzt. Die Frage, ob durch die digitalen Angebote neue Besucher:innen hätten erreicht werden können (der Traum aller Anbieter), beantwortet er etwas provokativ, genau das Gegenteil sei eingetreten. Die älteren vulnerablen Gruppen seien eher weggeblieben. Diejenigen, die bisher schon eher selten gekommen seien, kämen in der Pandemie eher noch seltener und würden digitale Angebote weder kennen noch wahrnehmen. Die Kultureinrichtungen sollten sich seiner Meinung nach jetzt auch am Ehesten auf ihre Stammbesucher konzentrieren, die seien inhaltlich erreichbar und müssten in die Häuser zurückgelockt werden. Und, ganz wichtig: partizipative Angebote und Vermittlungsangebote dürften jetzt nicht, z.B. aus Kostengründen, gestrichen werden. Genau das Gegenteil sei richtig.

Quellen:

Long Couching – Ein Tag, ein Thema, viele Perspektiven, ARD Audiothek, 26.10.2022 (54 min, auch zum Download)

Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation, Uni Mainz


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  • Wann wird es wieder so, wie es noch nie war? Von Thomas Renz, IKTF – Publikumsschwund

    […] in die Kulturveranstaltungen zurückgekehrt seien, sei das Long Couching (vom DLF so benannt und hier beschrieben). Als Nachweis führt er eine aktuelle Schweizer Untersuchung an, die das für den […]